§ 19 Weitere gerichtliche Beschränkungen

(1) Zusätzlich zu § 16 Absatz 1 beschränkt das Gericht der Hauptsache zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen auf Antrag einer Partei den Zugang ganz oder teilweise auf eine bestimmte Anzahl von zuverlässigen Personen

Gesetzesbegründung: § 19 Absatz 1 Satz 1 ermöglicht zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Verfahren eine gänzliche oder teilweise Begrenzung des Personenkreises, der Zugang zu Dokumenten und Verhandlungen hat, in denen Geschäftsgeheimnisse eröffnet werden. Die Regelung setzt Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/943 um. Voraussetzung für eine Anwendung von Absatz 1 ist, dass eine Einstufung nach § 16 Absatz 1 erfolgt ist.

Nach Satz 2 kann die Beschränkung des Personenkreises nur erfolgen, wenn nach Abwägung aller Umstände das Geheimhaltungsinteresse das Interesse der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren überwiegt. Satz 3 stellt sicher, dass jede Partei ausreichendes rechtliches Gehör erhält. Die Beschränkung des Personenkreises darf nur insoweit erfolgen, als dies zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses erforderlich ist. Daher ist auch eine Beschränkung möglich, die mehr als nur eine natürliche Person jeder Partei und ihren jeweiligen Prozessvertreter umfasst. Nach Satz 4 bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind.

§ 19 Absatz 1 ist entsprechend auf Streitgenossen anzuwenden, nicht jedoch auf Nebenintervenienten, weil dies mit dem Ansatz des Geheimnisschutzes kollidiert. Im Verfahren ist der Anspruch auf rechtliches Gehör auch der Nebenintervenienten durch geeignete Maßnahmen zu wahren.

Der Begriff der „Zuverlässigkeit“ bringt zum Ausdruck, dass bei der Entscheidung über den Zugang zum Prozessstoff einerseits die Grundsätze des Rechts auf rechtliches Gehör, das Gebot des effektiven Rechtsschutzes und ein faires Verfahren sowie andererseits das berechtigte Interesse an der Geheimhaltung miteinander in Einklang zu bringen sind. Dem Gericht wird hierdurch im Einzelfall die Möglichkeit gegeben, einer Person, die nicht für die vertrauliche Handhabung Gewähr bietet, den Zugang zum Prozessstoff zu untersagen. Hiermit wird auch den bereits in der Verbändeanhörung vereinzelt geäußerten Bedenken Rechnung getragen, dass Geschäftsgeheimnisse durch die Teilnahme unzuverlässiger natürlicher Personen einer Partei am Verfahren gefährdet werden können.

1. zu von den Parteien oder Dritten eingereichten oder vorgelegten Dokumenten, die Geschäftsgeheimnisse enthalten können, oder

Gesetzesbegründung: Nummer 1 ermöglicht eine Beschränkung des Personenkreises, der Zugang zu von den Parteien oder Dritten vorgelegten Dokumenten erhält, die Geschäftsgeheimnisse oder angebliche Geschäftsgeheimnisse enthalten. Die Regelung ist strenger als § 16 Absatz 1, nach dem lediglich die Geschäftsgeheimnisse bzw. die Dokumente, in denen sie enthalten sind, als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnet werden. § 19 Absatz 1 Nummer 1 beschränkt dagegen den Zugang zu den Dokumenten auf einige Personen. Eine entsprechende Regelung gibt es bislang nicht, da die §§ 172 ff. GVG den Zugang zu Dokumenten unberührt lassen. Der Kreis der Mitarbeiter an dem zuständigen Gericht, der Zugang zu den Gerichtsakten hat, wird durch die Regelung nicht beschränkt. Die Regelung enthält keine Begrenzung des Zugangs zu vom Gericht selbst hergestellten Dokumenten wie dem Protokoll einer mündlichen Verhandlung, solche Dokumente fallen jedoch unter § 16 Absatz 1 und § 19 Absatz 1.

2. zur mündlichen Verhandlung, bei der Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden könnten, und zu der Aufzeichnung oder dem Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Gesetzesbegründung: Nach Nummer 2 kann der Personenkreis beschränkt werden, der an mündlichen Verhandlungen teilnehmen kann, die den Schutz von Geschäftsgeheimnissen betreffen, und der Zugang zu den die Verhandlung betreffenden Aufzeichnungen oder Protokollen erhält.

Eine entsprechende Regelung gibt es bislang nicht. Nach § 172 Nummer 2 GVG bzw. im Falle einer arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit nach § 52 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) kann das Gericht zwar zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen für die Verhandlung die Öffentlichkeit ausschließen. § 172 Nummer 2 GVG setzt allerdings voraus, dass es sich um ein wichtiges Geschäftsgeheimnis handelt, dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzen würde. Der Ausschluss nach § 172 Nummer 2 GVG steht zudem im Ermessen des Gerichts. Dies gilt auch für § 52 Satz 2 ArbGG. Beide Regelungen erlauben außerdem nur den Ausschluss der Öffentlichkeit, nicht jedoch eine Begrenzung des Personenkreises bezüglich der Parteien.

Dies gilt nur, soweit nach Abwägung aller Umstände das Geheimhaltungsinteresse das Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren übersteigt. Es ist jeweils mindestens einer natürlichen Person jeder Partei und ihren Prozessvertretern oder sonstigen Vertretern Zugang zu gewähren. Im Übrigen bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind.

(2) Wenn das Gericht Beschränkungen nach Absatz 1 Satz 1 trifft,

1. kann die Öffentlichkeit auf Antrag von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden und

Gesetzesbegründung: Nummer 1 regelt die Möglichkeit, auf Antrag die Öffentlichkeit bei Beschränkungen nach Absatz 1 Satz 1 auszuschließen. Anders als § 172 Nummer 2 GVG muss es sich nicht um ein wichtiges Geschäftsgeheimnis handeln.

2. gilt § 16 Absatz 3 für nicht zugelassene Personen.

Gesetzesbegründung: Absatz 2 Nummer 2 setzt Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 2 Buchstabe c der Richtlinie (EU) 2016/943 um.

(3) Die §§ 16 bis 19 Absatz 1 und 2 gelten entsprechend im Verfahren der Zwangsvollstreckung, wenn das Gericht der Hauptsache Informationen nach § 16 Absatz 1 als geheimhaltungsbedürftig eingestuft oder zusätzliche Beschränkungen nach Absatz 1 Satz 1 getroffen hat.

Gesetzesbegründung: Da die Geheimhaltung eines Geschäftsgeheimnisses auch in der Zwangsvollstreckung erforderlich sein kann, ordnet Absatz 3 die Anwendbarkeit der §§ 16 bis 19 Absatz 1 und 2 hierauf an. Hierdurch wird geregelt, dass eine in einem Erkenntnisverfahren durch das Gericht der Hauptsache angeordnete Einstufung nach § 16 Absatz 1 oder eine nach § 19 Absatz 1 ausgesprochene Beschränkung auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung auf der Grundlage eines in diesem Verfahren erlassenen vollstreckbaren Titels weiterhin gilt. Während § 18 Satz 1 die Fortwirkung der Pflichten zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses bei solchen Personen anordnet, die bereits im Erkenntnisverfahren mit dem Geschäftsgeheimnis in Berührung gekommen sind, wird durch § 19 Absatz 3 angeordnet, dass auch solche Parteien, Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige, sonstige Vertreter und alle sonstigen Personen, die erstmals in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung von dem Geschäftsgeheimnis, dessen Schutz in dem Erkenntnisverfahren nach § 16 Absatz 1 oder § 19 Absatz 1 angeordnet wurde, in Berührung kommen, die entsprechenden Pflichten zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses zu erfüllen haben.

Der Umstand, dass die dem Schuldner nach § 750 Absatz 1 Satz 1 ZPO vor oder bei Beginn der Zwangsvollstreckung zuzustellende vollstreckbare Ausfertigung des Urteils hinsichtlich der Geschäftsgeheimnisse, deren Schutz angeordnet wurde, nach Absatz 2 geschwärzt wurde, steht der Zwangsvollstreckung auf der Grundlage ihrer Zustellung nicht entgegen. Das Gesetz erlaubt bereits jetzt in bestimmten Fällen die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage der Zustellung einer vollständig ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe gefassten vollstreckbaren Ausfertigung eines Urteils (§ 750 Absatz 1 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO). Die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils, auf deren Grundlage das Vollstreckungsorgan tätig wird und die dem Schuldner zuzustellen ist, muss jedoch in jedem Fall die Urteilsformel, soweit deren Inhalt vollstreckt werden soll, enthalten.

Ein Antrag auf eine Schutzentscheidung nach den §§ 16 bis 19 Absatz 1 und 2, die im Erkenntnisverfahren erfolgte, kann jedoch weder erstmals im Verfahren der Zwangsvollstreckung gestellt noch kann eine solche Entscheidung durch Organe der Zwangsvollstreckung erlassen werden. Eine Schutzentscheidung kann nur in einem kontradiktorischen Verfahren durch das Gericht der Hauptsache im Sinne von § 20 Absatz 6 erlassen werden. In dem streng formalisierten Verfahren der Zwangsvollstreckung kann die hierfür notwendige umfassende Interessenabwägung nicht durchgeführt werden. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis, da die Schutzbedürftigkeit von Geschäftsgeheimnissen, die möglicherweise Gegenstand des Rechtsstreits werden können, regelmäßig bereits im Erkenntnisverfahren zutage treten wird.