§ 4 Handlungsverbote

Gesetzesbegründung: § 4 enthält einen Katalog von Handlungsverboten, bei deren Missachtung eine rechtswidrige Erlangung oder eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung vorliegt, soweit die Handlungen nicht nach § 3 erlaubt sind. Die Vorschrift setzt Artikel 4 Absatz 1 bis 5 der Richtlinie (EU) 2016/943 um. Die Festlegung eines Katalogs von Handlungsverboten verdeutlicht, dass Geschäftsgeheimnisse nicht gegen jede Benutzung durch Dritte ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses geschützt werden, sondern nur gegen bestimmte unlautere Verhaltensweisen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Geschäftsgeheimnissen zwar in gewisser Weise um Immaterialgüterrechte handelt, aber anders als bei Patenten, Marken und Urheberrechten keine subjektiven Ausschließlichkeits- und Ausschließungsrechte vorliegen können, weil der rechtliche Schutz allein von der Geheimhaltung der Information abhängt und nicht von anderen Voraussetzungen wie einer Eintragung oder einer besonderen Schöpfungshöhe. Um Innnovation und Wettbewerb weiterhin zu ermöglichen, werden daher Geschäftsgeheimnisse nicht völlig der Gemeinfreiheit entzogen und ihrem Inhaber mit Wirkung gegenüber jedermann zugeordnet, sondern es wird lediglich ein bestehender Zustand rechtlich abgesichert.

1) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangt werden durch

Gesetzesbegründung: Absatz 1 legt Fälle fest, in denen die Erlangung eines Geschäftsgeheimnisses unzulässig ist.

1. unbefugten Zugang zu, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt, oder

Gesetzesbegründung: Nach Nummer 1 ist die Erlangung eines Geschäftsgeheimnisses durch bestimmte Verhaltensweisen unzulässig. Hierbei handelt es sich um den unbefugten Zugang zu Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt, oder um die unbefugte Aneignung oder das unbefugte Kopieren von derartigen Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien. Die Dokumente, Gegenstände, Materialien, Stoffe oder elektronischen Dateien müssen sich außerdem unter der rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses befinden. Die Erlangung selbst ist nicht unzulässig, wenn der Handelnde befugten Zugang zum Geschäftsgeheimnis hatte oder dieses kopieren oder sich aneignen durfte, zum Beispiel weil er im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses Zugriff auf das Geschäftsgeheimnis hat. Bei einem Gebrauch oder einer Weitergabe eines dermaßen erworbenen Geschäftsgeheimnisses kann jedoch eine unzulässige Nutzung oder Offenlegung nach Absatz 2 vorliegen.

2. jedes sonstige Verhalten, das unter den jeweiligen Umständen nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheit entspricht.

Gesetzesbegründung: Nummer 2 enthält einen an die deutsche Rechtsterminologie angepassten Auffangtatbestand, der jede Art von unlauterem Geschäftsgebaren als unzulässig einstuft. Dieser offene Tatbestand trägt dem Umstand Rechnung, dass im GeschGehG nicht abschließend alle Handlungen festgelegt werden können, in denen eine Erlangung unzulässig ist. Die vorgesehene Übernahme der Terminologie der lauterkeitsrechtlichen Generalklauseln ermöglicht hierbei eine interessengerechte Bewertung anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

Zur Auslegung herangezogen werden kann Fußnote 10 zu Artikel 39 Absatz 2 TRIPS. Diese definiert den Erwerb, die Nutzung oder die Offenbarung von geschützten Informationen an Dritte auf „eine Weise, die den anständigen Gepflogenheiten in Handel und Gewerbe zuwiderläuft“ derart, dass sie zumindest Handlungen wie Vertragsbruch, Vertrauensbruch und Verleitung umfasst und den Erwerb nicht offenbarter Informationen durch Dritte einschließt, die wussten oder grob fahrlässig nicht wussten, dass solche Handlungen beim Erwerb eine Rolle spielten.

(2) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht nutzen oder offenlegen, wer

Gesetzesbegründung: Absatz 2 legt Fälle fest, in denen die Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses unzulässig ist. Nutzung ist jede Verwendung des Geschäftsgeheimnisses, solange es sich nicht um Offenlegung handelt. Offenlegung bedeutet die Eröffnung des Geschäftsgeheimnisses gegenüber Dritten, nicht notwendigerweise der Öffentlichkeit.

1. das Geschäftsgeheimnis durch eine eigene Handlung nach Absatz 1

a) Nummer 1 oder

b) Nummer 2

erlangt hat,

Gesetzesbegründung: Nach Nummer 1 ist die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses unzulässig, wenn bereits die Erlangung des Geschäftsgeheimnisses wegen eines Verstoßes gegen Absatz 1 Nummer 1 (Buchstabe a) oder Absatz 1 Nummer 2 (Buchstabe b) rechtswidrig ist.

2. gegen eine Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses verstößt oder

Gesetzesbegründung: Die Nutzung ist nach Nummer 2 unzulässig, wenn die das Geschäftsgeheimnis nutzende oder offenlegende Person gegen eine vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses verstößt. Das betrifft insbesondere Fälle, in denen der Zugang zu den Geschäftsgeheimnissen nach Absatz 1 Nummer 1 befugt erfolgt war und somit keine rechtswidrige Erlangung vorliegt.

Eine solche Befugnis zum Zugang zu Geschäftsgeheimnissen wird in der Regel bei Beschäftigten gegeben sein. Diese können bei der Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses jedoch gegen vertragliche Pflichten verstoßen. Im Arbeitsverhältnis sind Geheimhaltung und Loyalität grundsätzlich vertragliche Verpflichtungen des Arbeitnehmers. Die vertragliche Verpflichtung muss rechtmäßig sein und darf insbesondere berechtigte Interessen zur Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses nicht beeinträchtigen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2016/943 die Richtlinie nicht die Nutzung von Erfahrungen und Fähigkeiten beschränken darf, die Arbeitnehmer im normalen Verlauf ihrer Tätigkeit ehrlich erworben haben. Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c der Richtlinie (EU) 2016/943 weist außerdem darauf hin, dass auf Grund der Richtlinie keine Auferlegung zusätzlicher Beschränkungen für Arbeitnehmer in ihren Arbeitsverträgen zulässig ist, die nicht gemäß dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht auferlegt werden. Daher sind die bestehenden Grundsätze zu den Anforderungen an Verschwiegenheitsverpflichtungen sowie nachvertragliche Wettbewerbsverbote weiterhin anwendbar.

3. gegen eine Verpflichtung verstößt, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen.

Gesetzesbegründung: Die Offenlegung ist nach Nummer 3 ebenfalls unzulässig, wenn die das Geschäftsgeheimnis nutzende oder offenlegende Person gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder eine sonstige Verpflichtung verstößt, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen. Das betrifft insbesondere Fälle, in denen eine Person befugt war, Zugang zu den Geschäftsgeheimnissen nach Absatz 1 Nummer 1 zu haben und somit keine rechtswidrige Erlangung vorliegt. Unter eine Vertraulichkeitsvereinbarung fällt auch die Verpflichtung von Arbeitnehmern im Arbeitsverhältnis zu Geheimhaltung und Loyalität.

(3) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangen, nutzen oder offenlegen, wer das Geschäftsgeheimnis über eine andere Person erlangt hat und zum Zeitpunkt der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung weiß oder wissen müsste, dass diese das Geschäftsgeheimnis entgegen Absatz 2 genutzt oder offengelegt hat. Das gilt insbesondere, wenn die Nutzung in der Herstellung, dem Anbieten, dem Inverkehrbringen oder der Einfuhr, der Ausfuhr oder der Lagerung für diese Zwecke von rechtsverletzenden Produkten besteht.

Gesetzesbegründung: Absatz 3 zielt auf Situationen, in denen die Person, die das Geschäftsgeheimnis erlangt, nutzt oder offenlegt, selbst keinen Verstoß gegen Absatz 2 begangen hat, zum Beispiel weil sie das Geschäftsgeheimnis von einem Dritten erhalten hat. In diesen Fällen kommt es darauf an, ob sie wusste oder fahrlässig nicht wusste, dass sie das Geschäftsgeheimnis über eine andere Person oder mehrere andere Personen erlangt hat, die das Geschäftsgeheimnis rechtswidrig erlangt oder rechtswidrig genutzt oder es offengelegt haben. Es reicht aus, dass bei einer Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses über mehrere Personen eine andere Person in der Kette gegen Absatz 2 verstoßen hat und der oder die Handelnde das wusste oder hätte wissen können. Satz 2 stellt klar, dass die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen sowie die Einfuhr, die Ausfuhr und die Lagerung rechtsverletzender Produkte für diese Zwecke Formen der Nutzung darstellen.